Der Welt über die Straße helfen
Designstudien im Anschluss an eine philosophische Überlegung

Der Welt über die Straße helfen
Designstudien im Anschluss an eine philosophische Überlegung
Peter Sloterdijk, Sven Voelker
Schriftenreihe der HFG Karlsruhe
Neue Folge Bd. 5
Gebunden, 109 Seiten, 14,90 Euro
Wilhelm Fink Verlag
München 2010
ISBN: 978-3-7705-4985-6
Falls Sie Ihre Designkenntnisse interdisziplinär vertiefen möchten: Deutschlands vielleicht bekanntestem Philosophen - Peter Sloterdijk - gelingt das in einem schlanken Essay von 18 Seiten. Keine leichte Lesekost, denn der umfassend gebildete Sloterdijk schöpft aus vielen Quellen. Die Komplexität seiner Aussagen gibt jedem Satz Gewicht, und das will gestemmt sein.
Gleichzeitig ist Sloterdijk sprach- und bildgewaltig, so dass seine Thesen auch ohne philosophische Breitbandkenntnis verständlich sind. Spannend sind sie allemal, denn philosophisch betrachtet erfüllt Design eine existenzielle Aufgabe.
Unter der Überschrift „Das Zeug zur Macht“ setzt sich Sloterdijk zunächst mit dem Selbstbegriff der modernen Welt auseinander. Ein Weltalter „wie ein riesiges Experiment der primären technologiefähigen Nationen über das Motiv der grenzenlosen Steigerung von Macht und der immerwährenden Intensivierung des Lebens“. Ein Prozess, deren Anfang epochale Zeitgenossen - „theoretische und praktische Machtmenschen“ - wie z.B. Kolumbus, Descartes, Bacon markieren. Sie sind allerdings weniger Initiatoren als „experimentelle Apostel“. Ihre Mission: Macht und Kompetenz erweitern. Eine Spirale, die alle Lebensbereiche erfasst.
„Was sie auszeichnet, ist die soziale Vermassung von einst pathetischer Kreativität in alltägliche Manipulation von Materialien und Zeichen durch die Angehörigen einer weltumspannenden Design-Zivilisation, sprich durch die übernationalen neuen smarten Mittelschichten.“
Das Problem: Niemand kann mehr Experte für all die Dinge des modernen Lebens sein. Seine Lösung: Design, von Sloterdijk auch als „Souveränitätszubehör“ bezeichnet. Die einfach zu bedienende Nutzeroberfläche - beispielsweise eines Computers - täuscht den User über seinen Mangel an Kenntnissen hinweg. Design - auch im Sinne Heideggers als „Das Zeug zur Macht“ definiert, trägt den Menschen über die Untiefen einer hyperkomplexen Welt, verleiht ihm lebensnotwendige „Passivitätskompetenz“.
„Das Universum des Produktdesigns dreht sich weitgehend um das sensitive Sujet des Dienstes am Kompetenz-Bedarf strukturinkompetenter Benutzer. Ein Kunde ist aus solcher Sicht immer ein Idiot, der Souveränität kaufen möchte. ... Design kommt unweigerlich überall ins Spiel, wo der schwarze Kasten dem Benutzer die Kontaktseite zuwenden muss, um sich ihm trotz seiner internen Hermetik nützlich zu machen. Design schafft den dunklen Rätselkästen ein aufgeschlossenes Äußeres. ... das Make-up der Maschinen; sie simulieren eine Art von Verwandtschaft zwischen Mensch und Kasten und flüstern dem Benutzer Appetite, Berührungslüste, Handlichkeitsempfindungen und Initiativen ein.“
Kombiniert ist das Essay mit Bildern studentischer Design-Entwürfe aus verschiedenen Jahrgängen des Designprofessors Sven Voelker. Seine Einleitung, die den Titel des Buches trägt, kontrastiert die existenzielle Funktion des Kommunikationsdesigns zunächst mit dem Alltag einer Disziplin, „in der Mittelmäßigkeit und Fehler verziehen werden“, deren Produkte rasch vergehen und durch Neues ersetzt werden, und von der kaum jemand weiß, was sie überhaupt ist. Aber gleichzeitig gibt Kommunikationsdesign einem Unternehmen sein Gesicht, und wenn es das einbüßt, „verliert es das Wertvollste, das es besitzt: seine Marke“.
Die in der Folge präsentierten Designentwürfe variieren verschiedene Themen, z.B. Kommunikationsdesign, Verbindung, Beobachtung, Identität. Eine Fülle denkanregender Fotos von Objekten, Installationen, Walking Acts, Gesichtern ... ein inspirierender Ausklang!